Samstag - 7. September 2024 - ab 15 Uhr

Tag des offenen Denkmals®

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Grammophon-Musik & Hits von alten Schellacks

 
Führungen und  Themen

„Wahrzeichen - Zeugen der Geschichte“

Hexenbesen, böse Geister und zerschlagenes Porzellan

Was macht das Fraunhofer Institut in der Wildschützer Bohlenstube?

Kulturerbe contra Erbrecht - Gegen Demenz & Ignoranz!

Special: Die Rache der Enterbten

Who the fuck is "A-Nette"



Das gibt´s nur im

"Haus mit den vier Herzen"


06682 Teuchern OT Wildschütz


Friedensstraße 5






Denk mal ;-)



https://weingut-triebe.de http://www.ziegenhof-schleckweda.de Umgebindehaus - Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Das Umgebindehaus von Wildschütz
  Bohlenstube, Heiste, Kellergewölbe, Dreschplatz, Stall und Bauerngarten

 1790

Die Jahreszahl steht auf dem Türsturz der Bohlenstube .
Dazwischen einige Buchstaben, deren Bedeutung niemand mehr kennt. 
Manche Rätsel und Geschichten eines alten Hauses bleiben für immer verloren. 
Was noch ist, erfährt man am besten mit eigenen Augen, Ohren und Händen.

Geschichten für´s Herz - Geschichte zum Staunen und Anfassen!

Zwei Generationen lang zeigte das prächtige Umgebinde-Fachwerk sein Antlitz. Fünf Jahrzehnte. 
Dann musste saniert werden, es wurde verändert und erweitert. Die Bohlenstube wurden durch große Tonnen schwere Sandsteinquader unterfangen. Das Umgebinde wurde ausgemauert und verputzt. Der Hauseingang wurde mit Sandstein neu gestaltet.  
Über der Haustüre wurde die Jahreszahl eingemeißelt. 

1841

So erhielt das Gebäude ein neues Erscheinungsbild. 
Wurde damals auch das Fachwerk im Obergeschoss vollständig verputzt?
Wohl nicht. Denn der neue Anbau wurde ja auch als Fachwerkbau errichtet, einschließlich des neuen Westgiebels.
Das Fachwerk des Westgiebels wurde später durch eine Mauer ersetzt. Wahrscheinlich wurde zu dabei dann fast das gesamte Obergeschoß ringsum verputzt. Nur auf etwa zwei Dritteln der geschützten Gartenseite blieb das Fachwerk sichtbar.

Mittels dendrochronologischer Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, 
dass das Haus 1789/90 errichtet und um 1840  um einen Seitenflügel erweitert wurde und 
der vorher frei liegende Zugang zum Gewölbekeller im Garten hinter dem Haus, wurde in das Haus mit einbezogen. 
Damals hat sich die Größe des Hauses etwas mehr als verdoppelt.

Wohl in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde zur Straße hin eine Stube angebaut.  
Sie ragt weit in die Straßenflucht hinein und aus dem Fenster hatte man einen guten Blick auf das weiter unten liegende Gutshaus. 
Dass der einstige Besitzer sich so etwas erlauben konnte - einfach auf die Straße bauen und von ober harab auf Gutshaus schauen?! 
Das läßt sich wohl nur durch besonders gute Beziehungen zum Gutshaus erklären. 

Wie gut diese Beziehung waren, kam bei einer Führung ans Licht. 
Ein alter Wildschützer wußte noch genau, was es mit der Sache auf sich hatte. 
Er sagte: "Geht mal auf den Friedhof. Da liegen Rudolf und Liberte Sonntag. 
Rudolf Sonntag war der Besitzer des Umgebindehauses. 
Seine Frau war eine geborene Landmann, 
sie stammte aus dem Gutshaus." 
  
Yvette Meinhardt von der Mitteldeutschen Zeitung machte daraus den schönen Artikel "Die Hochzeit der Häuser."

Bei der Sanierung der angebauten Stube mit dem Ausblick auf´s Gutshaus 
fanden wir in einer Raumecke hinter dem Lehmputz zwei Hände voll Scherben. 
Man hatte sie hier eingebaut, als der Raum verputzt wurde. 

Der Aberglaube früherer Zeiten maß  Raumecken eine besondere Bedeutung zu.
Sicher wird man beim Einbau der Scherben gehofft haben, dass es den Bewohnern des Hauses Glück bringen.
Den alten Spruch "Scherben bringen Glück" kennen wir noch heute.
Die Stube heißt wegen Ihrer Geschichte heute "Liberte-Stube". 

Mit fortschreitender Industrialisierung rückte der Braunkohletagebau  immer näher an das Gehöft heran. 
In den 1870/80er Jahren  gaben Rudolf und Liberte ihr  Umgebindehaus auf. Im nahen Oberschwöditz erichteten sie ein neues Gehöft. 
Sie müssen zu dieser Zeit ein ordentliches Vermögen besessen haben, denn das neue Domizil wurde bedeutend größer als das alte. 
Eine Ur-Enkelin der Sonntags erzählte, dass die Kinder von Rudolf und Liberte auf das neue große Gehöft sehr stolz waren. 
Rudolf und Liberte Sonntag aber blieben mit ihren Herzen immer ihrem Heimatort Wildschütz verbunden. 
So wundert es nicht, dass die beiden ihre Grabstätte auf dem Wildschützer Friedhof fanden. 
Das mit Schmiedeeisen eingefasste Grab ist dort noch zu finden. 

Familie Sonntag betrieb auf ihrem Hof  auch eine Verkaufsstelle. 
Alte Wildschützer kennen das Haus heute noch, gut 150 Jahre nach dem Wegzug als

„Sonntagerei“.

Runde hundert Jahre gehörte das Haus wie viele andere zur Braunkohle. Es wurden fünf Werkswohnungen eingerichtet,
Zum Ende der DDR-Zeit war das Haus so weit abgewirtschaftet, dass man bereits an einen Abriss dachte. 
Vier im Vorderhaus untergebrachte Wohnungen waren  nicht mehr bewohnbar. 
Das Dach war undicht. Die Moderfäule nagte am Gebälk.  
Über das Dach wurde Maschendrahtzaun gespannt, um Passanten  vor herabstürzenden Ziegeln zu schützen. 
 kam das Haus für 20.000 DM in die Auktion - und niemand wollte es. 

1998

 Als der Berliner Architekt Thomas Hammon 1998 von der erfolglosen Aktion erfuhr, fuhr er dort hin.
 Das Haus war  völlig verunstaltet. Aber das Architektenaugen wähnte hinter der häßlichen Fassade etwas Interessantes. 
Im Seitenflügel wohnten die letzten Mieter. Sie riefen einen Nachbarn herbei, der das verrammelte Vorderhaus mit einem Dietrich öffnete. Im Innern fand sich ein Raum mit massiver Holzdecke, über der Tür eine Jahreszahl: 1790, ein Stern und einige Buchstaben.
In einem Raum wuchsen verkehrt herum hängende Schirmpilze aus den Lehmdecken heraus.
Die Türen hatten handgeschmiedete Beschläge.

Als der junge Architekt wieder auf den Hof trat
und das Haus ansah, machte etwas in seinem Hinterkopf klick.
Das war kein normaler Gedanke - wie ein Blitz waren da plötzlich die Worte: 

"Das ist es!"

Seine nächsten Gedanken waren: 
"Bleib ruhig, Junge! Erst machst du einen Termin mit dem Leiter der Denkmalbehörde! 
Wenn du mit dem nicht kannst, wird hier nichts draus!"

Der Leiter der zuständigen Denkmalbehörde war Gerd Seidel.
Zu dem vereinbarten Termin kam er mit den Worten: "Guten Tag Herr Hammon, ich freue mich, sie kennen zu lernen. 
Wir haben genau eine Stunde. Dann muss ich zum nächsten Termin!" Dann ging es ins Haus, in die Gewölbekeller, 
auf den Dachboden und zum Schluß auch noch in den Garten. Alles Wesentliche war klar. 

Thomas Hammon freute sich, er erwähnte seine Begeisterung von dem Reichtum an
 Geschichte und Baudenkmalen im Burgenlandkreis und Gerd Seidel erwiderte mit einem Augenzwinkern: 
"Wir haben hier nicht nur die schönsten Denkmale.
Wir haben auch die schönsten Frauen!"

*** * ***

Niemand wußte von dem Umgebinde!

Das prächtige Fachwerk kam erst im Laufe der Sanierung wieder zum Vorschein. 
Als das Fachwerk im Jahr 2000 freigelegt war, kamen der Leiter der oberen Denkmalschutzbehörde des Landes aus Halle, 
Gerd Seidel von der Denkmalschutzbehörde Naumburg, der mit der Bauforschung beauftragte Restaurator
und der Architekt Thomas Hammon zusammen, um über die weitere Sanierung zu beraten. 

Sie waren sich einig: 
Ganz sicher war das Fachwerk ursprünglich als Sichtfachwerk errichtet worden. 
Aber wie hatte das Fachwerk des Hauses im Erdgeschoß einmal ausgesehen?  Die versammelten Experten rätselten. 
Die vier großen Gefache des Umgebindes wiesen Kopfschwellen auf, die merkwürdig aussehende „Doppelbögen“ formten. 
Vereinzelt waren Kopfbänder eingebaut, teilweise nicht. Einige Pfosten hatten Zapfenlöcher von Fußbändern. 
Andere Pfosten zeigten Zapfenlöcher von Riegeln - und das auch noch auf ganz unterschiedlichen Höhen! 
Nichts passte hier zusammen! 

Die Denkmalbehörde legte folgerichtig fest: 
Das Haus muss wieder vollständig verputzt werden.

Thomas Hammon ließ das ungelöste Rätsel um das Fachwerk keine Ruhe.  Abends machte er sich daran, 
das Fachwerk Stück für Stück genau zu studieren. Ihm fiel auf, dass einige Hölzer Holznägel bzw. Löcher für Holznägel aufwiesen. 
Andere Hölzer hatten keine solchen Bohrungen für Holznägel. Die Holznägel schienen zum ursprünglichen Erscheinungsbild des Hauses zu gehören. Anhand der Innenwände war die ursprüngliche Höhenlage der verloren gegangen Fußschwellen zu ermitteln. 
Auf zwei Skizzen zeichnete der Architekt dann die vermutete Lage der Fußschwellen ein und die Teile des Fachwerks, 
die Holznägel hatten. Die Teil ohne Holznägel lies er frei.

So ergaben sich zwei Skizzen, die unvollständig waren. 
Aber die Skizzen enthielt nur das, was mutmaßlich original war. 
Dort, wo diese Skizze Lücken hatte, fügte er sinngemäß Fachwerkteile ein, 
die den Fachwerkteilen mit den Holznägeln entsprachen ein. 
Der Gesamteindruck der Skizzen  war verblüffend:

Das Bild des Umgebindes zeigt vier Herzen!

Am nächsten Tag schickte Thomas Hammon die beiden Skizzen an Gerd Seidel.
Der rief gleich zurück und sagte: "Herr Hammon, ich telefoniere mit Halle, sie kriegen die Genehmigung!"
Am nächsten Tag lag die schriftliche Genehmigung vor!

Thomas Hammon hat von 1999 - 2004 wöchentlich 60-80 Stunden an der Sanierung gearbeitet.
Von 2000 - 2004 betrieb er dazu eine Baufirma mit 7 Vollzeit-Angestellten.
Maurer, Zimmerer, Maler. 

Für die Bauaufnahme, Aufmaß- und Ausführungszeichnungen, Flächen- und Mengenberechnungen 
beschäftigte er eine Dipl.-Ing. Architektin in freier Mitarbeit.







Die Väter der Geschichte

Mein Urgroßvater fuhr zur See, Nordatlantikroute. Mein Großvater war Bäcker. Mein Vater Apotheker. Ich blieb der Tradition treu , etwas anderes anzufangen, als mein Vater. Schon als kleiner Junge  war ich immer mit Bauen beschäftigt. Hütten, Baumhäuser, mit 17 baute ich meine erste Wohnung in einem alten Haus aus... irgendwann stand ich dann als Architekt vor einem alten Haus, in dessen Inneres ich meine Nase gerade etwas zu tief hinein gesteckt hatte. Es roch, wie alte Häuser riechen. Muffig und modrig. Aber aus jeder Ritze schienen Geschichten zu drängen, die längst vergessen waren und doch hörte man sie ganz leise flüstern... 

Da stand ich also vor dem Haus und etwas in meinem Kopf macht Klick. Ohne zu überlegen, sagte etwas in meinem Kopf, das ist es. Bevor ich mich einer unbewussten Entscheidung hingab, schaltete ich den Verstand wieder ein. Zuerst wollte ich den Mann kennen lernen, der für die Denkmalpflege im Landkreis zuständig war. Wenn ich mit ihm nicht könnte, dann würde ich es lassen. Zwei Wochen später stand ich mit  dem Leiter der zuständigen Denkmalschutzbehörde auf dem Grundstück. Gerd Seidel stellte sich vor sagte zu mir, "Herr Hammon, Sie haben 1 Stunde. Die gehört Ihnen. Danach muss ich weiter." Nach dieser Stunde war klar, dass wir uns wieder sehen. 


*** * ***

Und natürlich gab es noch einen weiteren Vater der Geschichte. 
Meinen eigenen. Was uns verband, wird uns immer verbinden.

Mein Vater Helmut Hammon hat mit großem Enthusiasmus hinter mir gestanden.  Die Erhaltung von Baudenkmalen erfordert Ausdauer und das notwendige "Kleingeld". Die Sanierungskosten können durch Mieteinnahmen nicht gedeckt werden. Der Staat befreit daher zur Erhaltung von Baudenkmalen private Eigentümer für sämtliche Investitionen in eine Baudenkmal von der Einkommensteuer. Investitionen können zu 100 % abgeschrieben werden. Voraussetzung ist freilich, dass der Eigentümer, entsprechend hohe Steuern muss.  Mit seinen Steuerlasten, die mein Vater in das Projekt geleitet hat,  wurde einen ganz entscheidendener Beitrag geleistet. Ein Steuergeschenk ist das freilich nicht. Das investierte Steuerersparnis kommt ja nicht wieder heraus. Ein Baudenkmal hat daher niemals den Wert, der zur Erhaltung investiert werden muss. 

So kann man sagen, dass ein Baudenkmal noch einen Vater hat: Vater Staat.
Mit anderen Worten - die Allgemeinheit leistet hier einen Beitrag zur Erhaltung ihrer Kulturgüter. 

Ein Baudenkmal ist dadurch mehr, als das Lebenswerk eines einzelnen. 
Auch das Wildschützer Umgebindehaus erinnert  nicht nur mich daran, was mein Vater und ich gemeinsam aufgebaut haben.
Es erinnert auch daran, was die Allgemeinheit leistet.


**** *** ****

Auch wenn das Vergessen mächtig wird, 
was wir erschaffen, bleibt länger als wir selbst.


Unser Team

Drei Maurer, vier Zimmerer, zwei Maler,  eine Studentin, viele Helfer, zahllose gute Seelen ein Bauherr und einer für alles andere.


Kommen Sie mit auf unsere Reise - dorthin, woher unsere Geschichte  kommt.
Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung. 
Aber die Dankbarkeit verwandelt die Erinnerung in eine stille Freude.
Dietrich Bonhoeffer

Dieses "Haus mit den vier Herzen" gemeinsam mit meinem Vater aufzubauen,
waren die schönsten  Jahren, die wir hatten.

Danke, lieber Vater!

Das schönste Denkmal, das ein Mensch bekommen kann, steht in den Herzen der Mitmenschen.



Albert Schweitzer

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